Sacred Drums of Si­be­ria, The Soul of the Shaman

(Ni­cho­las Bree­ze Wood, 2013)

Aus­zü­ge und Ge­dan­ken zum o.g. Buch

Scha­ma­nen aus Zen­tral­asi­en und Si­bi­ri­en ha­ben ein ein­zig­ar­tig- per­sön­li­ches Ver­hält­nis zu ih­ren Trom­meln. Seit 1929 wur­de in der So­wjet­uni­on der Scha­ma­nis­mus sys­te­ma­tisch un­ter­drückt. Be­son­ders ih­re wich­tigs­ten In­stru­men­te, die Trom­meln, wur­den be­schlag­nahmt und zer­stört. In Saa­mi-Fin­land wur­den die meis­ten Trom­meln durch die christ­lich-lu­the­ri­sche Kir­che ver­brannt. Trotz­dem wer­den land­auf-land­ab wie­der vie­le neue Trom­meln ge­baut und ge­schla­gen. Die Er­de ist ei­ne Trom­mel, sie lebt.

Al­le si­bi­ri­schen Trom­meln sind Rah­men­trom­meln. Ur­sprüng­lich aus ei­nem lan­gen, dün­nen Holz­strei­fen zu ei­nem Ring zu­sam­men­ge­zo­gen und über­lappt ge­dü­belt, wer­den sie an­schlie­ßend ein­sei­tig mit ge­wäs­ser­ter Roh­haut über­zo­gen. Heu­te sind Rah­men aus Me­tall oder Kunst­stoff mög­lich. Die Rück­sei­te bleibt offen.

Die Roh­haut ist die frisch ab­ge­zo­ge­ne Haut ei­nes ge­tö­te­ten Tie­res (Ren­tier, Wild­zie­ge, Schaf, Pferd, Rind, Bär, See­hund und an­de­re). Nach­dem die Haut vom Tier ab­ge­zo­gen ist, wird sie in Lau­ge ca. 7 Ta­ge ein­ge­legt, die Haa­re au­ßen und die Fleisch­res­te in­nen ab­ge­schabt, auf ei­nen Tro­cken­rah­men ge­spannt und ge­trock­net. Das so ent­stan­de­ne Per­ga­ment ist hart, licht­durch­läs­sig und lan­ge halt­bar. In Si­bi­ri­en be­kommt die Trom­mel, je nach Tra­di­ti­on, den Na­men des Tie­res, des­sen Haut ver­wen­det wur­de, z.B. Hei­li­ges Reh“, oder Hei­li­ges Pferd“.

Aus zwei un­ab­hän­gi­gen Le­be­we­sen der Tier- und Pflan­zen­fa­mi­lie wird durch ei­ne neue Ge­burt (Her­stel­lung der Trom­mel) ein neu­es We­sen mit neu­er Form und Auf­ga­be. Trom­mel und Klop­fer wer­den aus le­ben­di­ger Haut und le­ben­di­gem Holz her­ge­stellt, sie sind voll Geist. Ga­ben für Tier und Baum kön­nen sein (Blut, Vod­ka, Milch, But­ter, Zu­cker, Ta­bak, ei­ge­ne Haut/​Haare…eben reich­hal­ti­ge Nah­rung für die Geis­ter). Die Trom­mel, ein le­ben­di­ges We­sen, wird re­gel­mä­ßi­ge ri­tu­ell ge­füt­tert und da­durch geehrt.

Sicht­ba­re Er­hö­hun­gen auf der Au­ßen­sei­te des Rah­mens, die wie Beu­len aus­se­hen, kön­nen sym­bo­li­sche Be­deu­tun­gen ha­ben: hei­li­ge Or­te (Ber­ge) oder spi­ri­tu­el­le Aspek­te aus dem Le­ben des Trom­mel­bau­ers oder des Scha­ma­nen. Die­se Er­hö­hun­gen be­stehen aus Holz­stü­cken oder Kno­chen. Die Haut wird über sie ge­zo­gen, so ent­ste­hen zwi­schen Haut und Rah­men klei­ne Luft­ta­schen, so ge­nann­te Re­so­na­to­ren. Die­se ei­ge­nen Hohl­räu­me /​Resonanzräume un­ter­stüt­zen den Klang der Trom­mel (so wie die Hohl­räu­me in un­se­rem Kopf der Stim­me ih­ren ei­ge­nen Klang ge­ben). Der Durch­mes­ser der Trom­mel kann 30 cm bis zu 100 cm be­tra­gen. Durch ei­ne be­son­de­re Schnur­tech­nik, wird die Haut rund­um an den Rah­men genäht.

Der Griff der Trom­mel kann fest­ge­dü­belt oder hän­gend mit dem Rah­men ver­bun­den sein. Hel­fen­de Geis­ter kön­nen in den Griff ge­schnitzt wer­den. Viel­leicht ist es ein Ah­nen-oder ein Haupt­hel­fer- Geist, der so ge­nann­te „ Meis­ter der Trom­mel“. Männ­li­che und weib­li­che Wel­ten- Sym­bo­le wer­den aus­ge­wo­gen und in har­mo­ni­scher Ba­lan­ce dargestellt.

Der Schlä­ger hat meist die Form ei­nes krum­men, kur­zen Pad­dels. Er ist ein­sei­tig mit Fell be­deckt. Lo­se Me­tall­rin­ge, Glöck­chen, Fe­dern, Per­len, Stoff­strei­fen …. sind oft­mals an ihm be­fes­tigt. Der Schlä­ger ist ein ei­gen­stän­di­ges Werk­zeug des Scha­ma­nen. So wird er wäh­rend der Trance als Peit­sche oder Ex­trak­ti­ons­mes­ser ver­wen­det, eben­so als Löf­fel für Milch/​Schnaps und als Se­gens- und Hei­lungs­stab. Der Schlä­ger fin­det An­wen­dung um Krank­hei­ten zu ver­trei­ben oder den Pa­ti­en­ten da­von zu befreien.

Zu­sätz­li­che Ap­pli­ka­tio­nen an si­bi­ri­schen Trom­meln sind klir­ren­de Ei­sen­stü­cke, ge­schmie­de­te Mi­nia­tu­ren von Werk­zeu­gen und Waf­fen, die in der Trance ge­zielt als sol­che, an­ge­wandt wer­den können.

Sind Me­tall­ge­gen­stän­de an der Trom­mel be­fes­tigt, die von äl­te­ren Trom­meln oder ri­tu­el­len Ge­gen­stän­den stam­men, ha­ben die­se meist, wäh­rend ih­res Le­bens, an Kraft da­zu ge­won­nen. Scha­ma­nen, die Schmie­de sind, fer­ti­gen die­se Ge­gen­stän­de in an­ge­mes­se­nen Ze­re­mo­nien und höchs­tem Re­spekt vor den Geistern.

Trom­meln sind in Form und Aus­se­hen im­mer ei­ne Mi­schung aus Tra­di­ti­on und per­sön­li­cher Vi­si­on des Scha­ma­nen. Ob die Trom­mel be­malt ‑oder un­be­malt bleibt, Me­tall­glo­cken, Ei­sen­ke­gel, Waf­fen, Fe­ti­sche, Quas­ten, Bän­der oder an­de­re Ap­pli­ka­tio­nen er­hält, zeigt die Kos­mo­lo­gie des Scha­ma­nen an.

Ei­ne Trom­mel wird mit größ­tem Re­spekt be­han­delt. Sie ist nicht nur ein Mu­sik­in­stru­ment, son­dern ein kom­ple­xes Mo­dell des le­ben­di­gen Uni­ver­sums. Die Trom­mel be­sitzt ein Set aus Waf­fen und Werk­zeu­gen, mit de­nen der Scha­ma­ne stö­ren­de Geis­ter be­kämpft, über­lis­tet oder un­ter­drückt. Als Boot und Pad­del kann er sei­ne Trom­mel nut­zen, um Ge­wäs­ser zu über­que­ren. Sie ist ein Be­häl­ter um See­len ein­zu­fan­gen und fest­zu­hal­ten oder Se­gen über je­man­den zu gie­ßen. In der Trom­mel le­ben die hel­fen­den Geis­ter des Scha­ma­nen. Die Trom­mel ist ein hei­li­ger Ort; Start­punkt je­der Rei­se, der den Scha­ma­nen mit der Welt der Geis­ter verbindet.

Bei der Her­stel­lung ei­ner Trom­mel wird größt­mög­li­che Auf­merk­sam­keit an­ge­wandt. Geis­ter wer­den um Hil­fe ge­ru­fen. Der Re­spekt vor den le­ben­di­gen Ma­te­ria­li­en zwingt zur Sorg­falt. Al­le Ma­te­ria­li­en, Werk­zeu­ge, De­ko­ra­tio­nen, Men­schen, En­er­gien, die zur Ge­burt ei­ner Trom­mel bei­tra­gen, ha­ben ei­nen Geist. Je­de Trom­mel ist ein Le­be­we­sen und ihr Wer­den ei­ne Ge­burt – ei­ne ei­ge­ne Rei­se für sich. Baum und Tier müs­sen ster­ben, um in an­de­rer Form neu ge­bo­ren zu wer­den. Al­les schenkt uns Groß­mutter- Er­de. Al­le Be­tei­lig­ten (Jä­ge­rin, Holz­fäl­le­rin, Ger­be­rin, Brief­trä­ge­rin, Fern­mel­de­tech­ni­ke­rin, Tank­stel­len­päch­te­rin, Werk­zeug­fach­ver­käu­fe­rin, und vie­le mehr, sind am Vor­be­rei­tungs- und Her­stel­lungs­pro­zess be­tei­ligt. Die neue Trom­mel ist ei­ne le­ben­di­ge Ver­bin­dung zwi­schen Baum, Tier, Kos­mos und Mensch.

Vor dem Ge­brauch geht die 1. Rei­se mit der neu­en Trom­mel hin­aus in die Geist­welt, um den Geist des Tie­res und des Bau­mes zu fin­den, aus dem die Trom­mel ge­macht ist. Fin­det sich die­ser Geist, wird er in die Trom­mel ge­bracht und dort mit z.B. Schnaps be­grüßt. Die Trom­mel wird er­mäch­tigt und le­ben­dig. Die Trom­mel ist den Geis­tern vor­ge­stellt. Die Geis­ter soll­ten um Rat ge­fragt wer­den, wie wei­ter mit der Trom­mel zu ver­fah­ren ist.

Die Geis­ter sind un­se­re Leh­rer. Wir rei­sen zu un­se­ren Geist- Leh­rern. Sie un­ter­wei­sen uns über spe­zi­fi­sche De­tails der Trom­mel: Spe­zi­al­ma­te­ria­li­en, Far­ben, Mus­ter, Ob­jek­te, An­wen­dungs­mög­lich­kei­ten. Man­che Trom­meln er­lau­ben es auf dem Bo­den ab­ge­legt zu wer­den, ei­ni­ge nur mit der Haut nach oben, ob an­de­re Men­schen dar­auf spie­len dür­fen oder nicht, wel­ches Fut­ter die Trom­mel am liebs­ten mag, Auf­be­wah­rungs­ort- und Wei­se, wel­che Tasche….etc.

Re­spekt = Dienst = hei­li­ge Be­zie­hung zu den Geis­tern = Grund­pfei­ler ei­ner gu­ten Zu­sam­men­ar­beit. Durch Lau­schen und Emp­fan­gen von In­for­ma­tio­nen aus der geis­ti­gen Welt, wird un­se­re Trom­mel zu ei­nem ver­läss­li­chen Freund und Füh­rer. Sie ist ein star­ker Hilfs­geist, ein kraft­vol­les En­er­gie­werk­zeug. Die neue Trom­mel mit ih­rem Geist, wird uns Herz und Hand füh­ren. Die hei­li­ge Trom­mel ist seit tau­sen­den von Jah­ren zu­ver­läs­si­ger Be­glei­ter de­rer, die mit den Geis­tern wan­deln. Hö­ren wir hin.

Hier ei­ni­ge An­re­gun­gen von mir:

Ver­brin­ge viel Zeit mit Dei­ner Trom­mel. Lau­sche ih­rer Stim­mung, dem täg­lich wech­seln­dem Klang. An wel­cher Schlag­stel­le klingt sie hoch, an wel­cher tief? Was macht ein schnel­ler Rhyth­mus, was ein lang­sa­mer? Er­kun­de, spie­le – Überraschung.

Mit Hil­fe des Trom­mel­klangs ist es leicht mög­lich, sei­nen ei­ge­nen Ge­sang zu un­ter­stüt­zen. Füh­re Dei­nen Mund nah an die schwin­gen­de Haut. Neue er­fun­de­ne Tö­ne, Klän­ge und Ge­räu­sche, die in­tui­tiv ent­ste­hen, dür­fen aus Dir her­aus, zur Trom­mel hin, in Dich zu­rück. Ver­traue dei­ner ei­ge­nen Im­pro­vi­sa­ti­on. Ge­he in ei­ne tie­fe Ver­bin­dung mit Dei­ner Trom­mel. Es ist kei­ne Leis­tung zu er­brin­gen, statt­des­sen ent­de­cke die Wel­ten Dei­ner Stim­me und die Freu­de am kind­li­chen Sing­sang. Die­se reich­hal­ti­gen Klän­ge sind heil­sa­me En­er­gien aus den Geis­ter­wel­ten. Trom­meln und Sin­gen sind her­vor­ra­gen­de We­ge, den in­ne­ren Kri­ti­ker weit hin­ter sich zu las­sen. Die Geis­ter lei­ten und leh­ren Dich, neu­es Ter­rain zu ent­de­cken, Dei­ne ei­ge­nen We­ge zu ge­hen. Die Geis­ter la­den Dich ein, mit ih­nen zu­sam­men zu ar­bei­ten. Ver­traue dem La­chen. Danke.

No­vem­ber 2020, Achim Becker

Ei­ge­ne Er­fah­run­gen ma­chen bei:

Er­ler­nen von Rei­sen in die Nicht­all­täg­li­che Wirk­lich­keit“, durch die Me­tho­de des Core-Schamanismus:

https://​www​.shama​nism​.eu/​de/


Er­le­ben der re­li­giö­sen Trance durch die Me­tho­de der ri­tu­el­len Kör­per­hal­tun­gen nach Fe­li­ci­tas Goodman:

https://​fe​li​ci​tas​-good​man​-in​sti​tut​.de/

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