Scha­ma­ni­sches Trom­meln – Wand­lung durch Vibrationen

Scha­ma­ni­sches Trom­meln ist ei­ne Form des Trom­melns, die da­zu dient, beim Prak­ti­zie­ren­den ei­nen ver­än­der­ten Be­wusst­seins­zu­stand her­vor­zu­ru­fen. Es wird an­ge­nom­men, dass über die Tran­ce­zu­stän­de, die sie er­zeugt, auf die spi­ri­tu­el­le Di­men­si­on der Rea­li­tät oder die Geis­ter­welt“ zu­ge­grif­fen wer­den kann. So­bald die­se Welt er­reicht ist, wer­den Füh­rung und Hei­lung zu­gäng­lich. Dies liegt dar­an, dass in der scha­ma­ni­schen Welt­an­schau­ung das Uni­ver­sum als ein ein­zi­ges, flie­ßen­des, rhyth­mi­sches We­sen ge­se­hen wird, das durch Schwin­gung er­schaf­fen wur­de. Da­her wird an­ge­nom­men, dass das Schla­gen der Trom­mel den Schwin­gungs­zu­stand ei­ner Per­son oder so­gar ei­ne Si­tua­ti­on ver­än­dern kann.

Mu­sik­ge­schich­te in spi­ri­tu­el­len Traditionen

Mu­sik und an­de­re Klang­tech­ni­ken wer­den seit Tau­sen­den von Jah­ren in der ri­tu­el­len und spi­ri­tu­el­len Pra­xis ein­ge­setzt. Als klas­si­sches Bei­spiel ha­ben scha­ma­ni­sche Tra­di­tio­nen aus der gan­zen Welt Trom­meln, Ras­seln, Sin­gen, In­stru­men­tal­mu­sik und an­de­re Klang­tech­ni­ken als Haupt­werk­zeu­ge ver­wen­det (Elia­de, 1974). Auch au­ßer­halb der scha­ma­ni­schen Kul­tu­ren fin­den sich zahl­rei­che Bei­spie­le für Trance-In­duk­ti­on mit Hil­fe von Mu­sik, Ge­sang und Tanz. Die Haupt­kon­tex­te, in de­nen die­se Tech­ni­ken an­ge­wen­det wer­den, sind Hei­lung und Zeremonien.

Die Na­va­jo-Heil­ri­tua­le wer­den zum Bei­spiel von aus­ge­bil­de­ten Sän­gern durch­ge­führt, die ein ho­hes Maß an Kom­ple­xi­tät in ih­rer Ar­beit er­rei­chen kön­nen. So sehr, dass es mit Wag­ner-Opern ver­gli­chen wur­de (Kaptchuk, 2011). In ei­nem wei­te­ren be­kann­ten Heil­ri­tu­al füh­ren die! Kung-Busch­män­ner der Ka­la­ha­ri-Wüs­te in Afri­ka ei­nen Trance-Tanz auf, der mit lan­gen Trom­meln kom­bi­niert wird (Lee & De­Vore 1976; Katz 1976). Es ist auch be­kannt, dass wäh­rend des Tref­fens christ­li­cher Grup­pen wie der Schlan­gen­händ­ler (Men­schen des Hei­li­gen Geis­tes) und der Er­we­cker oder Mit­glie­der der Pfingst­kir­che mäch­ti­ge Hei­lun­gen statt­fin­den. Auch hier ver­bin­den sich Mu­sik, Ge­sang und Tanz (Ka­ne, 1974).

An­de­re spi­ri­tu­el­le Tra­di­tio­nen ha­ben Tech­ni­ken ent­wi­ckelt, die spe­zi­fi­sche­re Ef­fek­te her­vor­ru­fen als nur ei­nen all­ge­mei­nen Tran­ce­zu­stand. In der in­di­schen Leh­re gibt es zum Bei­spiel ei­ne Denk­schu­le, die be­sagt, dass je­des ein­zel­ne Chakra ei­ne spe­zi­fi­sche Ver­bin­dung zu be­stimm­ten akus­ti­schen Fre­quen­zen hat. Es glaub­te da­her, dass es mög­lich ist, den Be­wusst­seins­zu­stand durch blo­ße An­wen­dung von Schall zu ma­ni­pu­lie­ren. Die Tra­di­ti­on des Na­da Yo­ga ist ein al­tes Bei­spiel für sol­che Tech­ni­ken und hat ei­nen gu­ten Ruf bei der Ver­bes­se­rung der geis­ti­gen und kör­per­li­chen Ge­sund­heit (Paul & Te­as­da­le, 2004).

Es gibt auch vie­le Bei­spie­le für Ge­sangs­dar­bie­tun­gen, die für ri­tu­el­le, spi­ri­tu­el­le und hei­len­de Zwe­cke ver­wen­det wer­den. Die be­kann­tes­ten Ge­sän­ge sind ein we­sent­li­cher Be­stand­teil der süd­ame­ri­ka­ni­schen Aya­huas­ca-Tra­di­tio­nen, in de­nen bei Ze­re­mo­nien so­ge­nann­te Ika­ros ge­sun­gen wer­den (Ste­phan, 2010). Au­ßer­halb der Welt von Aya­huas­ca gibt es die mul­tivo­ka­len Ge­sän­ge der ti­be­ti­schen Gyot­so-Mön­che, mon­go­li­schen und Tu­va-Scha­ma­nen (Sklar, 2005), der hin­du­is­ti­schen Bha­jans und Kir­t­ans, der Inu­it-Es­ki­mo-Hals­mu­sik (Fla­na­gan, 2008) oder der hei­li­gen Ge­sän­ge ( dhik­rs) ver­schie­de­ner Su­fi-Or­den (Gos­wa­mi & Thie­le­mann, 2005).

Sound und das scha­ma­ni­sche Uni­ver­sum – Weltenbaum

In der scha­ma­ni­schen Welt­an­schau­ung wird das Uni­ver­sum als ein ein­zi­ges, flie­ßen­des, rhyth­mi­sches We­sen ge­se­hen. Da es durch Vi­bra­ti­on er­zeugt wur­de, wird an­ge­nom­men, dass es durch Schla­gen der Trom­mel ver­än­dert wer­den kann, so dass der Schwin­gungs­zu­stand ei­ner Per­son oder Si­tua­ti­on ge­än­dert wer­den kann.

Es wird an­ge­nom­men, dass die­ses Schwin­gungs­uni­ver­sum, das die Scha­ma­nen be­schrei­ben, aus drei Schich­ten be­steht. Sie sind die un­te­re, mitt­le­re und obe­re Welt. Die­se Wel­ten durch ei­ne ver­ti­ka­le Ach­se mit­ein­an­der zu ver­bin­den, ist der so­ge­nann­te Wel­ten­baum“. Die Wur­zeln des Bau­mes sind mit der Un­ter­welt ver­bun­den, der Stamm ist die Mit­tel­welt und die Zwei­ge hal­ten die Ober­welt hoch. Es wird an­ge­nom­men, dass die­se zen­tra­le Ach­se in uns al­len exis­tiert und über das Un­ter­be­wusst­sein zu­gäng­lich ist. Durch den Klang der Trom­mel wird der Scha­ma­ne zur in­ne­ren Ach­se trans­por­tiert und kann sich zwi­schen ver­schie­de­nen Ebe­nen be­we­gen. Die tu­va­ni­sche Mu­sik­wis­sen­schaft­le­rin Va­len­ti­na Su­zu­kei sagt:

Auf die­sen Schall­wel­len be­fin­det sich ei­ne Brü­cke, über die Sie von ei­ner Welt zur an­de­ren ge­lan­gen kön­nen. In der Klang­welt öff­net sich ein Tun­nel, durch den wir ge­hen kön­nen – oder die Geis­ter des Scha­ma­nen kom­men zu uns. Wenn Sie auf­hö­ren, Schlag­zeug zu spie­len, ver­schwin­det die Brücke. 

Van De­u­sen, 2004

Wäh­rend sei­ner Rei­sen kann der Scha­ma­ne ver­schie­de­ne Tei­le der Trom­mel tref­fen, um be­stimm­te hel­fen­de Geis­ter zu be­schwö­ren oder auf be­stimm­te Be­rei­che des Kos­mos zu­zu­grei­fen. Dies funk­tio­niert, weil an­ge­nom­men wird, dass die Geis­ter der Na­tur ih­re ei­ge­ne Klang­welt er­schaf­fen und es dem Men­schen mög­lich ist, durch sub­ti­le Va­ria­tio­nen im Klang der Trom­mel mit ih­nen zu kom­mu­ni­zie­ren. Sound ist da­für ein per­fek­tes Me­di­um, da er sich durch den Raum be­we­gen und Bar­rie­ren durch­drin­gen kann.

Vor­be­rei­tung und Zeremonie

Ei­ne scha­ma­ni­sche Trom­mel­ze­re­mo­nie be­ginnt oft mit dem Er­hit­zen des Trom­mel­kop­fes über ei­ner Flam­me, da­mit die ge­wünsch­te Ton­hö­he er­reicht wird. Wenn dies ge­sche­hen ist, wird ein sich wie­der­ho­len­der Rhyth­mus an­ge­schla­gen, der lang­sam be­ginnt und dann all­mäh­lich auf drei bis sie­ben Schlä­ge pro Se­kun­de an­steigt. Mit zu­neh­men­dem Tem­po tre­ten leich­te bis tie­fe Tran­ce­zu­stän­de auf, die ei­ne scha­ma­ni­sche Rei­se ent­lang der Ach­se des Welt­baums ermöglichen.

Ei­ne Trom­mel­rei­se be­inhal­tet oft die Be­geg­nung mit ei­nem Kraft­tier, wie es nor­ma­ler­wei­se in der Un­ter­welt zu fin­den ist. Power-Ani­mal-Drum­ming ist ei­ne scha­ma­ni­sche Tech­nik, um Tier­ar­che­ty­pen her­vor­zu­ru­fen. Im scha­ma­ni­schen Glau­bens­sys­tem re­prä­sen­tiert ein Tier­ar­che­typ den Geist ei­ner gan­zen Tier­art. Es wird an­ge­nom­men, dass je­der Mensch ein oder meh­re­re Kraft­tie­re hat, die zur Ein­sicht und Hei­lung her­an­ge­zo­gen wer­den kön­nen. Die Er­geb­nis­se sind be­son­ders frucht­bar, wenn ei­ne dau­er­haf­te Be­zie­hung zum Tier ge­pflegt wird.

Ei­ne an­de­re häu­fi­ge Ver­wen­dung des scha­ma­ni­schen Trom­melns ist die Kon­sul­ta­ti­on der Geist­füh­rer. Geist­füh­rer sind äthe­ri­sche We­sen, von de­nen an­ge­nom­men wird, dass sie in ei­ner hö­he­ren Schwin­gungs­dich­te le­ben als die Kraft­tie­re (Ober­welt). Ob­wohl die Weis­heit der Geist­füh­rer nicht bes­ser“ ist als die der Kraft­tie­re, ist ih­re Füh­rung ten­den­zi­ell tie­fer und be­zieht sich mehr auf un­se­ren hö­he­ren Lebenszweck.

Wenn die Rei­se zu En­de geht, ver­lang­samt der Schlag­zeu­ger ein­fach das Tem­po, da­mit sein und das Be­wusst­sein der Pas­sa­gie­re zu sei­nem nor­ma­len Zu­stand zu­rück­keh­ren kann (Elia­de, 1974; Dra­ke, 2015).

Trom­meln als Therapie

Dass rhyth­mi­sches Trom­meln ei­nen si­gni­fi­kan­ten Ein­fluss auf die Ak­ti­vi­tät des Ge­hirns hat, wur­de in meh­re­ren La­bor­ex­pe­ri­men­ten ge­zeigt (Gold­man 1952, Ji­lek 1974, 1982; Ne­her 1961, 1962). Wäh­rend die­ser Be­fund al­lein na­tür­lich neu­tral ist, wur­de fer­ner fest­ge­stellt, dass die Trom­mel­the­ra­pie ei­ne wirk­sa­me Be­hand­lungs­me­tho­de ist.

Durch ver­schie­de­ne Stu­di­en wur­de ge­zeigt, dass Trom­meln die kör­per­li­che Hei­lung be­schleu­nigt, das Im­mun­sys­tem stärkt, Wohl­be­fin­den her­vor­ruft und emo­tio­na­le Trau­ma­ta aus­löst. Ins­be­son­de­re kann Trom­meln bei der Be­hand­lung von Sucht (Win­kel­mann, 2003), De­pres­si­on (Erkki­lä et al., 2011), chro­ni­schen Schmer­zen (Win­kel­mann, 2000), Krebs (Bitt­man et al., 2001), Mul­ti­pler Skle­ro­se, Par­kin­son-Krank­heit und Alz­hei­mer wirk­sam sein (Fried­man, 2000).

Ei­ge­ne Er­fah­run­gen ma­chen bei:

Er­ler­nen von Rei­sen in die Nicht­all­täg­li­che Wirk­lich­keit“, durch die Me­tho­de des Core-Schamanismus:

https://​www​.shama​nism​.eu/​de/


Er­le­ben der re­li­giö­sen Trance durch die Me­tho­de der ri­tu­el­len Kör­per­hal­tun­gen nach Fe­li­ci­tas Goodman:

https://​fe​li​ci​tas​-good​man​-in​sti​tut​.de/

Re­fe­ren­ces:

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